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KI-ULTRA

„Ohne KI-ULTRA wären wir nicht auf die Idee gekommen, über eine KI-Lösung nachzudenken“ - KI-Nutzung in der Erwachsenenbildung

Veröffentlicht am 15. Jun 2022

Bei der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung Niedersachsen soll eine KI-Lösung für die Auswertung von Veranstaltungsnachweisen genutzt werden, um so Entscheidungsvorschläge vereinheitlichen zu können. Ursel Stenkamp spricht im Interview über Rechtssicherheit im Umgang mit KI und die Bedeutung wissenschaftlicher Unterstützung im Einführungsprozess.

Ursel Stenkamp arbeitet seit 2007 in der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung (AEWB). Nach ihrem Studium der Erwachsenenbildung war sie viele Jahre in der Wirtschaft tätig und hat Zusatzqualifikationen als Auditorin bzw. Gutachterin für unterschiedliche QM-Modelle sowie zur Organisationsberatung erworben. In der AEWB berät sie als pädagogische Mitarbeiterin Bildungsorganisationen rund um die Themen Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung. Für das Projekt KI-ULTRA werden diese Kompetenzen nun AEWB-intern genutzt. Frau Stenkamp leitet gemeinsam mit der Fachabteilung das Projektteam.

1. Das Projekt KI-ULTRA begleitet die Einführung einer KI-Anwendung in Ihrer Agentur. Welche Bedeutung hat diese Anwendung für die AEWB?

Als Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung in Niedersachsen (AEWB) wollen wir die KI-Anwendung in unserem Kerngeschäft einsetzen: Unsere Aufgabe ist es, die Finanzhilfe des Landes Niedersachsen für die Erwachsenenbildungseinrichtungen in öffentlicher Verantwortung, zum Beispiel von Volkshochschulen, zu berechnen und auszuzahlen. Dafür werten Fachkräfte ca. 105.000 Nachweise pro Jahr aus, das heißt die Einrichtungen liefern zu jeder durchgeführten Veranstaltung definierte Informationen (z. B. Anzahl Unterrichtsstunden, Teilnehmende, Titel). Die dabei eingesetzte Software ist in die Jahre gekommen und muss nun ersetzt werden. Im Zuge dieser Softwareumstellung möchten wir gleich eine KI-Lösung integrieren, die uns anhand der Nachweise Entscheidungsvorschläge generiert und uns dabei hilft, zum Beispiel auf Basis der Vorjahresdaten, eine Vereinheitlichung zu erreichen. Die KI soll also dazu dienen, uns die manuelle Prüfung zu erleichtern, indem sie eher langweilige Routinen automatisiert. Eine weitere Idee für den KI-Einsatz liegt in der Texterkennung, damit wir beispielsweise automatisierte Analysen über Veränderungen in Trends oder Formaten durchführen können.

2. Was erhoffen Sie sich von der Teilnahme am Projekt KI-ULTRA? Welche Vorteile hat Ihnen die Teilnahme bereits gebracht?

Wir wären ohne den Hinweis auf KI-ULTRA vermutlich nicht auf die Idee gekommen, über eine KI-Lösung für unsere NEBG-Anwendung nachzudenken. Wir sind eine kleine Organisation und uns fehlt grundlegendes Know-how im Bereich Data Science und Künstliche Intelligenz. Die Teilnahme an KI-ULTRA ist für uns ein Weg, aus unserem Softwareeinführungsprojekt mehr herauszuholen. Ein Software-Projekt ohne KI ist an sich schon komplex. Mit einem KI-Anteil steigt die Komplexität dann noch einmal drastisch an. Ohne KI-ULTRA hätten wir uns vermutlich nicht an das Thema KI herangetraut. Am wichtigsten ist uns, dass wir mit dem Fraunhofer IAO einen unabhängigen Partner an unserer Seite haben, der uns nicht irgendeine Lösung verkaufen will, sondern uns aus einer neutralen Position heraus berät.

3. Welche besonderen Herausforderungen bestehen bei der Einführung von KI-Lösungen im Vergleich zu anderen technischen Systemen? Sind herkömmliche Methoden, z. B. des Innovationsmanagements ausreichend, um diese zu bewältigen?

Für uns besteht die größte Herausforderung darin, dass uns intern das Wissen fehlt, das man für die Umsetzung einer KI-Lösung braucht. Außerdem sind für uns rechtliche Fragestellungen sehr wichtig: Wir müssen auch mit der KI rechtssichere Entscheidungen treffen. Das heißt die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und ein Nachweis der Ergebnisqualität sind für uns von besonderer Bedeutung. Die Einführung einer KI-Lösung bringt auch sehr hohe Kosten mit sich. Hier müssen wir uns fragen, ob der Nutzen am Ende die Kosten rechtfertigen wird – und wie wir das überhaupt feststellen können.

4. Welche Rolle spielen Menschen im Kontext von KI als neue Technologie?

Die KI-Einführung verändert die Arbeitsplätze unserer Kolleg*innen erheblich. Sicher hat es auch Vorteile für unsere Fachkräfte, wenn monotone Teilaufgaben automatisiert werden können. Auf der anderen Seite darf es nicht dazu führen, dass sie plötzlich nur noch die besonders schwierigen Fälle auf den Tisch bekommen, sonst ist der entlastende Effekt schnell dahin. Der Mensch steht also im Mittelpunkt: als Anwender, aber auch als Enabler. Wir können die KI-Lösung nicht ohne das Expert*innenwissen unserer Kolleg*innen zum Laufen bringen. Gleichzeitig ist es auch nachvollziehbar, dass sie vielleicht ihre gewohnten Arbeitsprozesse nicht von heute auf morgen drastisch verändern können oder wollen. Besonders vor dem Hintergrund, dass „das Neue“ noch kaum greifbar ist.

5. Welchen Stellenwert werden KI-Lösungen mittelfristig in Ihrer Branche haben?

Wir sind in zwei Branchen aktiv: Öffentliche Verwaltung und in der Bildungsbranche. Wenn ich sehr allgemein an die öffentliche Verwaltung denke, was Behörden wie z. B. Finanzämter einschließt, dann sehe ich dort sehr viel Potenzial für den Einsatz von KI. Das wird aber auch ein dickes Brett, daher dürfte es noch einige Zeit dauern, bis dort weitläufig KI zum Einsatz kommt. Auf der anderen Seite sehe ich die Bildungsbranche. Dort sehe ich außer bei den großen Bildungsträgern weniger Anwendungsmöglichkeiten oder -notwendigkeit für KI-Anwendungen. Die kleinen gemeinwohlorientierten Organisationen mit ca. 50 Mitarbeitenden müssen sich die Kosten-Nutzen-Frage stellen und selbst wenn diese positiv ausfällt, bleibt es fraglich, ob die Startinvestition gestemmt werden kann.